Als unser Großer, der sonst ein Kind mit einem sanften Gemüt ist, seine ersten Wutanfälle hatte, machte ich mich ziemlich verwirrt und hilflos auf die Suche nach den Ursachen. Sowohl er als auch ich hatten ziemlich Angst vor der Wut, die sich hin und wieder zeigte. Durch den Austausch mit andern Müttern auf Twitter war ich recht schnell beruhigt. Sein Verhalten ist ein kleiner Vorbote auf das Hormonchaos, das in den kommenden Jahren seinen Körper und Geist kräftig durchschütteln werden. Die sogenannte Vorpubertät. Auch wenn diese Situation uns alle sehr herausforderte, so ist dies dennoch eine ganz normale Entwicklung.
Die Angst vor der Wut
Die ersten Besuche dieses Phänomens verwirrten uns alle. Am meisten aber wohl meinen Sohn! Wir redeten viel darüber. Warum das so ist. Was es mit ihm macht und was mögliche Wege aus dieser Wut sind, die ihn oft so plötzlich einnimmt.
Als ich am Wochenende in meiner Timeline von einer Leidensgenossin las, dass ihre Tochter den Weg aus dieser Wut heraus nicht findet, fragte ich kurzerhand meinen Großen, ob er nicht einen Brief schreiben möchte. Für C. – die sich so schwer tut darüber zu reden, und der ihre eigene Wut anscheinend so viel Angst bereitet. Vielleicht hilft es ihr ja und auch meinem Großen, wenn wir diese Hilflosigkeit, die wir allen in diesen Situationen fühlen einfach aufschreiben:
Liebe C.,
ich heiße Lucca, bin fast 9 Jahre alt, und gehe in die 3. Klasse. Meine Mama hat mir erzählt, dass Du manchmal wütend bist.
Ich bin auch manchmal wütend. Dann fühle ich mich ganz sauer und doof. Und ich weiss auch gar nicht, warum das passiert, dass ich so wütend werde. Das letzte mal habe ich dann meinen Bruder ganz fest geärgert, bis er weinen musste.
Das tat mir hinterher total leid. Und dann musste ich auch weinen.
Als ich dann nicht mehr sauer war, habe ich mit meinem Papa und meinem Bruder gesprochen. Und ihnen gesagt dass es mir leid tut. Und das ich nicht weiß warum ich so sauer bin. Das hat mir dann geholfen. Mein Bruder wollte meine Entschuldigung erst gar nicht annehmen. Das hat mich sehr traurig gemacht. Am Ende ging es dann wieder und er hat mir verziehen.
Ich glaube es hat mir geholfen mit ihnen zu reden. Irgendwie macht reden fast immer alles besser.
Dein L.
Eine Geschichte darüber, wie es unserem Sohn vor der Einschulung ging findest du hier.
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Oh wie schön!
Daß er sich Gedanken macht und wie er seine Gefühle mitteilt, toll!
Ich werde es morgen meinem 9jährigen erzählen, der eine lange Geschichte mit der Wut hinter sich hat: vor fast 2 Jahren bekam er einen epileptischen Anfall. Genau zu der Zeit, wo ich mich bereits an einen Therapeuten gewendet hatte, weil er Anfälle von Wut und Depressionen hatte. Da hatte sich wohl so viel in ihm aufgestaut, dass es sogar den Weg über das komplette Nervensystem genommen hat. Jedenfalls hat er dann die Therapie gemacht und wir haben den epileptischen Anfall nicht medikamentös behandelt (gegen ärztlichen Rat, logisch). In diesen 25 Sitzungen hat er viel über seine Wut gelernt, wo sie herkommt, dass sie zu ihm gehört, wie er sie erkennt und wie er verhindert, dass sie von ihm Besitz ergreift. Die Therapie ist rum und er ist immer noch ein temperamentvolles Kerlchen, aber er gerät nicht mehr „außer sich“, sondern er bleibt bei sich. Ich wünsche wirklich nicht jedem Kind eine Therapie, aber diese Erkenntnisse über die Wut und die eigenen Gefühle, die wünsche ich allen.
Er hat übrigens keinen weiteren epileptischen Anfall bekommen, ganz ohne Psychodrogen. Aber er hat einen sensiblen Blick für die Wut anderer Kinder entwickelt.