Reicht das? Habe ich mich wirklich genug bemüht? Hätte ich nicht besser sein können? Fragen, die ich mir immer und immer wieder stelle. Selbstzweifel, die immer und immer wieder mein Herz und meinen Kopf durchbohren, mich traurig machen, mir das Gefühl von Enttäuschung vermitteln. Immer öfter liegen diese Zweifel an mir selbst wie eine schwere Last auf meinen Schultern. Bin ich eine gute Mutter? Eine gute Ehefrau? Eine gute Tochter, Schwester und Freundin? Habe ich beruflich wirklich alles gegeben? Und im Sport – könnte ich nicht mehr trainieren, wenn ich mich nur wirklich anstrengen würde?
Selbstzweifel: Ich bin selbst mein größter Feind
Ok – Hand aufs Herz. Lohnt sich das wirklich mit den Selbstzweifeln? Mit dem Hadern an sich selbst und der Kritik am eigenen Handeln? Sollte ich mich selbst nicht viel lieber feiern für das was ich täglich schaffe, als dafür was ich nicht erreiche? Warum mache ich mir das Leben selbst so schwer? Das ist doch eigentlich doof.
Oder ist es absolut richtig sich selbst zu hinterfragen? Schließlich bin ich ja diejenige, die sich selbst am besten kennt. Wer traut sich denn wirklich mir ehrliches Feedback zu geben, wenn ich es selbst nicht tue.
Am Ende hatte ich Selbstzweifel an meinen Selbstzweifeln!
Genau in diesem Gefühl zwischen Selbstkritik und dem Gefühl von Müdigkeit und Enttäuschung postete ich einen Tweet. Und die Reaktionen waren erstaunlich. Besonders ein Reply hat mich besonders berührt.
Sch ich sie weg. Du bist toll. Gerade weil du stetig an dir arbeitest und dich reflektierst. Das mag ich an die sehr !
— JesS von feierSun.de (@feierSun) 22. Juli 2017
Hat Jess recht? Ist die Fähigkeit kritisch mit sich selbst zu sein am Ende etwas Gutes? Auch wenn es im ersten Moment nicht so aussehen mag? Habe ich vielleicht gar keine Selbstzweifel sondern bin vielmehr ein sich selbst reflektierender Mensch? Ich liess diesen Gedanken sacken und ging aufgewühlt und nachdenklich ins Bett.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich schon viel besser. Ich hatte das erste Mal seit Langem das Gefühl, dass es ok ist Selbstzweifel zu haben und gleichzeitig dennoch zufrieden mit seiner eigenen Leistung zu sein. Vielleicht muss das eine das andere gar nicht ausschließen? Vielleicht kann ich lernen mich selbst zu reflektieren, ohne mir dabei den Stempel des Zweifelns und Versagens aufzudrücken? Ich beschloss diesem Ansatz eine echte Chance zu geben.
Oft reicht ein kleiner Funken für ein Feuerwerk
Als ich am Nachmittag meine Tochter aus der Kita holte, kam sie mir schon auf dem Gang schlechtgelaunt entgegengelaufen. Nichts konnte ich ihr recht machen. Die Klamotten waren nicht die Richtigen, keine Freundin hatte an dem Nachmittag Zeit mir ihr zu spielen und außerdem wollte sie noch gar nicht abgeholt werden. Ich hingegen war unglaublich müde von einem sehr anstrengenden Wochenende, hatte den Kopf voll mit Themen rund um meinen Job und war eigentlich eh schon viel zu spät dran, da ich nach dem Kindergarten noch in den Hort fahren musste.
Es kam wie es kommen musste – die Situation eskalierte. Meine Tochter schrie rum. Ich schrie zurück. Es war nicht schön – weder für sie, noch für mich. Als wir endlich im Auto saßen, fühlte ich mich direkt wieder schlecht. Hätte ich nicht geduldiger sein kmüssen? Muss ich in Momenten in denen ich mit meinen Kindern zusammen bin nicht 100% meiner Aufmerksamkeit ihnen widmen? Wäre die Situation nicht so eskaliert, wenn ich mich nur besser im Griff gehabt hätte? Muss das eine gute Mutter nicht können!?!
Ein kurzes Innehalten genügt manchmal
Ich dachte an Jess und ihre Worte und begann mit meiner Tochter zu sprechen. Ich entschuldigte mich bei ihr für meine Ungeduld und erklärte ihr, dass auch wir Eltern nicht immer alles richtig machen. Wir sprachen darüber, wie wichtig es ist, ehrlich zueinander zu sein und Fehler auch mal einzugestehen. Es war ein gutes Gespräch! Und es tat gut, meiner Tochter so offen und ehrlich gegenüberzutreten
Den Rest des Weges sagen wir gemeinsam „Bibi und Tina“ und erzählten uns Geschichten. Wir hatten richtig viel Spaß und genossen unsere gemeinsame Zeit. Ihr Groll und ihre Wut, die sie mir beim Abholen im Kindergarten entgegengebracht hatte und auch meine harte Kritik an mir selbst waren kaum noch spürbar und wurden verdrängt von Lachen und Liebe.
Es geht nicht vorbei – aber ich werde besser
Dieser und viele weitere kleine und große Momente in den letzten Tagen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Großzügigkeit die ich anderen Menschen entgegenbringe auch mir selbst zu teil werden zu lassen. Ich spüre, wie ich es immer mehr schaffe zwar kritisch und reflektiert mit mir selbst zu sein – aber dabei mir gegenüber immer noch genug Respekt und Wertschätzung zu üben.
Es ist ok selbstkritisch zu sein – solange es mich weiter bringt und nicht blockiert.
Das Annehmen dieser Eigenschaft und Bewerten als etwas Positives – das Annehmen meiner selbst so wie ich bin – es hilft mir dabei ein zufriedenerer Mensch zu werden. Dass dies kein leichter Weg ist – und die Sache mit der Selbstkritik nur ein Puzzelteil von vielen ist das ist mir klar.
Doch da ich gelernt habe auch mal einen anderen Blickwinkel zuzulassen und mich selbst wertzuschätzen hilft mir dabei darin immer besser zu werden.
Nicht umsonst ist einer meiner liebsten Sprüche:
Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr
amerikanischer Theologe, Philosoph und Politikwissenschaftler
* 21.06.1892, † 01.06.1971
Ein wunderbarer Post und eine schöne geschriebene Feder (erinnert mich an SITC – im positiven Sinne!)!
Es ist schön zu sehen, dass Du damit einen Umgang, ja sogar einen Frieden gefunden hast 🙂
was ein toller und vor allem Interessanter Beitrag. Vielen lieben Dank für die ganzen Info´s.
Ich finde solche Beiträge einfach immer super.
Muss auch noch arbeiten, um besser zu sein. Danke