Warum Aufgeben manchmal eine Option sein sollte

Ich mag Aufgeben nicht. Mochte ich noch nie. Das Kämpfen liegt mir irgendwie im Blut. Sicherlich bedingt durch meinen Leistungssport in meiner Kindheit. Aber es ist auch mein Naturell. Ich bin eine Kämpferin für meine Familie, meine Karriere, meinen Sport und meine Ziele. Herausforderungen brauche und suche ich dabei. Und dennoch habe ich heute seit vielen, vielen Jahren das erste mal aufgegeben.

Aufgeben ist eine Option

 

 

Ich bin dieses Jahr 40 geworden. Mit 38 habe ich Angst. 40 fühlte sich so alt an. Doch kurz vor meinem 40. Geburtstag war ich im Reinen mit mir und feierte mein Geburtstag auch mit einer Riesenparty mit allen meinen Freunden, die ich teilweise seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Wer Geburtstag feiert wird gefragt was er sich zum Geburtstag wünscht. Und nachdem meine Söhne mir seit einigen Jahren auf den Mountainbike davon fahren, beschloss ich mir ein MTB-Trainingslager schenken zu lassen. Quasi meine persönliche, sportliche Herausforderung für dieses Jahr, das sonst stark von der Gründung und dem Festigen meiner eigenen Firma geprägt war.

Und so war ich also diese Woche nach Südtirol. Genau gesagt im Vinchgau in einem MTB Techniktrainingslager nur für Frauen.

Dort angekommen stellte ich relativ schnell fest, ich war hier die einzige Mutter. Der Rest der Frauen war entweder weit  jünger als ich, oder deutlich älter. Frauen wie ich, die täglich versuchen den Spagat zwischen Familie, Karriere und Sport zu meistern – Fehlanzeige.

Trotz dieser Kenntnis versuchte ich mich nicht entmutigen zu lassen. Kämpfte mich durch den ersten Tag des Trainingslagers und machte meine Sache eigentlich recht gut.

Nach ca 3 Stunden Basis Training zu Haltung und Technik fuhr ich bereits den ersten MTB Trail meines Lebens. Bergab – zwischen Steinen und Wurzeln – einen schmalen Weg hinab ins Tal.

Doch irgendwie war ich nie allein auf dem Rad. Da war immer diese Angst zu stürzen, sich zu verletzen. Und Angst hemmt bekanntlich. Den Vormittag des zweiten Tages verbrachten wir mit dem Überwinden von Vorsprüngen. Über Absätze und Steine fahren. Ich packte meinen ganzen Mut zusammen und fuhr über Hindernisse, die ich mir zuvor nicht zugetraut hätte.

Ich, beim Trail-Training

Stolz und Angst können nah beieinander liegen

Und auch wenn ich unglaublich stolz auf mich war, war ich zugleich unglaublich gefrustet, die Leistungsschwächste zu sein. Und dieser Frust fing immer mehr an mich zu blockieren.

Am Nachmittag „erarbeiteten“ wir uns das Kurven fahren. Und hier stieß ich an meine technischen Grenzen. Immer und immer wieder stürzte ich, beim Versuch eine recht steile Kurve, gepaart mit Wurzeln und Steinen zu bewältigen.

Nach jedem Sturz war der Frust, die Enttäuschung und die Angst noch größer. Das Ergebnis: Ich schob mein Rad fast komplett den Rest der Strecke hinab.

 

Kopf und Herz

Am Abend war ich mir unsicher, ob ich am nächsten Tag wieder aufs Rad steigen wollte. Denn mir war klar, die Strecken der kommenden Tage werden noch anspruchsvoller.

Ich hatte das Gefühl dafür noch nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Und gleichzeitig fühlt es sich an zu Versagen. Den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen. Nicht hart genug zu sein. Nicht ehrgeizig genug. Es einfach nicht genug zu wollen.

Mein Kämpferherz sagte:

  • Los Andrea – wer aufgibt, der hat schon verloren.

Mein Kopf sagte:

  • Lass dich nicht vom falschem Ehrgeiz leiten – das ist es nicht wert!

 

Diese Absätze bin ich hinunter gefahren

 

Normalerweise gewinnt bei mir eigentlich immer das Herz. Ich bin ein emotionaler, impulsive Mensch. Doch diesmal ist irgendetwas anders.

Ich habe den Verstand gewinnen lassen! Bin heute nicht mit auf den Trail gegangen, sondern habe für mich beschlossen, dass ich dafür noch nicht bereit bin.

Mein Kopf ist nicht bereit dazu. Mein Körper ist es nicht. Und mein fahrerisches Können auch nicht.

Diese Einsicht fällt mir so schwer und hat mich so viele Tränen gekostet. Denn ich fühle mich wie eine Verräterin.

Eine Verräterin an meinen Freunden, die mir dieses Camp geschenkt haben.

Eine Verräterin, die den Mut und den Einsatz, den sie immer predigt selbst nicht aufbringt.

Und dennoch denke ich, das es die richtige Entscheidung war. Manchmal geht es gar nicht darum Dinge einfach nur zu machen und Mut zu haben.  Manchmal geht es vielmehr darum seine eigenen Grenzen zu erkennen. Zu erkennen welches Potenzial in einem steckt und welches eben nicht.

 

Auch hier bin ich runter gefahren

 

Ich glaube, dass ich diese Trails die ich heute nicht gefahren bin, sicherlich irgendwann fahren kann. Aber eben nicht heute. Nicht mit der Angst die aktuell mitfährt. Nicht mit dem fahrerischen Können dass mir noch fehlt.

Einmal aufzugeben sollte mich nicht dazu bringen an mir selbst zu zweifeln. Nicht an meinem Kämpfergeist du zweifeln. Nicht an meinem Können zu zweifeln. Nicht an mir selbst zu zweifeln.

Das nicht zu tun ist leichter gesagt als getan.

Aber ich möchte es tun und dann wachsen. Auch wenn es mir überhaupt nicht leicht fällt

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