Warum machen die das Mama?

Warum machen die das Mama?

Der 22. Juli 2016 – es wird einer dieser Tage sein, an dem besonders wir Münchner nicht vergessen wie wir diesen Tag verbracht haben. Der Tag des Amoklaufs in Münchner OEZ. Ich war mit meinem großen Sohn auf dem Cro-Konzert auf Schloss Salem. Die Tickets hatte er von uns zu Weihnachten bekommen. Unsere gemeinsame Vorfreude war riesig! Mama-Sohn-Exklusivzeit, während die kleinen Geschwister mit unserem Au Pair zu Hause waren und mein Mann auf einem Business-Dinner im Münchner Umland.

Cro Konzert München

 

Die Realität – mit voller Wucht

Das Konzert war super. Wir haben gesungen, getanzt, gelacht. Wir haben das Leben in vollen Zügen eingeatmet und den Moment genossen. Es war  perfekt!

Dann kam der Moment, als wir um 23 Uhr zurück ins Auto stiegen und das Radio anmachten. Ich hörte eine bekannte Stimme. Stephan Kreuzer auf Bayern 3 ist der Vater des Freundes meines Großen. Was diese Stimme sagte war so bizarr und unwirklich. Ein junger Mensch hat bewusst und mit voller Absicht 9 Menschen auf offener Straße getötet.

Mein Sohn (9 Jahre) saß neben mir im Auto und ich überlegte für einen kurzen Moment, ob ich das Radio wieder ausschalten soll? Das alles zu viel ist für ihn? Ich entschied mich dagegen. Wir fuhren durch die Nacht in Richtung Hotel. Wir saßen schweigend nebeneinander. Hörten der vertrauten Stimme im Radio zu.

Im Hotel angekommen fing mein Sohn an Fragen zu stellen:

  • Was ist da genau passiert?
  • Warum hat der Junge das gemacht?
  • Kann uns so etwas auch passieren?
  • Ist einer unserer Freunde unter den Toten?
  • Müssen wir nun auch Angst haben?

Doch was sage ich als Mama zu meinem Kind, wenn es mir Fragen über den Terror stellt, die ich selbst nicht genau beantworten kann?

Mein Sohn hatte mich bereits vor einigen Monaten gefragt, warum Menschen sich dem IS anschließen. Damals hatte ich ihm erklärt, dass dies oft Menschen sind, die keine Arbeit haben, keine Freunde, keine Hoffnung auf ein besseres Leben und häufig leider keine ausreichende Schulbildung.

 

Genau hier setzte ich auch an diesem Abend an:

Dieser 18-jährige Junge in München. Er war einsam und krank. Er hatte das Gefühl keine Freunde zu haben. Verbrachte zu viel Zeit alleine und hing seinen traurigen Gedanken nach. Er wurde krank. Seine Gedanken wurden krank – der Name  dieser Krankheit ist Depression. Depressionen sind eine gemeine Krankheit. Weil man sie nicht sieht – weil sie unsichtbar ist. Nicht wie ein Armbruch oder eine Schnittwunde.

Ganz oft kann Menschen mit einer Depression geholfen werden. Von der Familie, von den Freunden, von Ärzten und mit Medikamenten. Die Voraussetzung dafür: Sie müssen sich helfen lassen wollen.

Der Junge in München – er hat auch Hilfe bekommen – doch er hat sie nicht angenommen. Er war weiterhin traurig. War wütend. Fühlte sich vielleicht auch schlecht behandelt von seiner Umwelt und hatte das Gefühl das Leben ist unfair zu ihm. Irgendwann hatte er das Gefühl er will seine Wut der ganzen Welt zeigen. Er hat aus seinem Schmerz einen Schmerz für Viele gemacht. Das passiert sehr selten – aber manchmal eben leider doch.

Wir müssen besser zuhören!

Ich erklärte meinem Sohn, dass es wichtig ist, dass wir immer viel reden. Über unsere Gefühle – die guten wie die schlechten. Dass wir aufeinander aufpassen, uns gegenseitig Achtung und Aufmerksamkeit schenken.
Ich erklärte ihm, dass jeder Mensch das Recht hat ernst genommen zu werden. Dass wir uns nicht ärgern dürfen, sondern gegenseitig respektieren müssen. Dass er und seine Freunde zusammenhalten müssen. Niemanden ausschließen dürfen – jeden gelten lassen müssen, so wie er ist. Ich erklärte ihm, dass er deswegen nicht jeden Menschen mögen muss – aber niemanden hassen sollte.

Ich glaube genau das ist jetzt wichtig! Dass wir aufeinander aufpassen!

Nach der Gedenkminute heute in der Schule hat mein Sohn sich mit seiner Lehrerin und seinen Klassenkameraden über das Geschehene unterhalten. Mein Sohn erklärte seinen Mitschülern dass sie als Team zusammenhalten müssen, sich nicht ärgern dürfen und niemanden ausschließen dürfen. Die Lehrerin stimmte ihm zu. Als er mir dies beim Abendessen erzählte war ich unglaublich stolz auf meinen Sohn. Denn er hat mir nicht nur zugehört, sondern die Dinge auch angenommen und für sich in seiner kindlichen Gedankenwelt eingeordnet.

Das macht ihn stark und hilft ihm für das, was kommen mag.

 

 

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