Das Problem der Vereinbarkeit ist nicht der Job
Das Problem der Vereinbarkeit ist nicht der Job. Und nicht die Kinder. Müsste ich nur die Zeit im Job und die Zeit mit meinen Kindern an sich vereinbaren, dann wäre das alles fast ein Kinderspiel.
Vereinbarkeit, Vereinbarkeit – du machst mir grad Probleme
Es hat sich viel getan in den letzten Monaten bei uns. Ich wurde von der Wochenend-Ehefrau zur Berater-Ehefrau, denn der Mann wechselte dieses Jahr erneut den Job und ist nun in einer großen, deutschen Unternehmensberatung tätig. Ist doch toll könnte man meinen. Der Mann ist wieder zu Hause.
Doch die, die das Beratergeschäft kennen wissen – so richtig ist er das nicht. Denn als Berater arbeitet und reist man viel. Und somit bin ich immer noch viel alleine mit den Kindern.
Moment – die ist doch gar nicht alleine – die hat doch ein Au Pair
Klar – da haben die treuen Leser_innen meines Blogs gut aufgepasst. Man könnte meinen ich jammere auf hohem Niveau. Denn mein Vereinbarkeitsalltag wird ja von einem Au Pair unterstützt. Doch die, die bereits selbst Au Pair-Erfahrung haben wissen: Ein Au Pair ist nicht nur Entlastung sondern macht auch Arbeit.
Im August gab es einen „sanften Wechsel“ zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Au Pair. So lebten wir erst über einen Monat zu sechst unter einem Dach, bevor unser „altes“ Au Pair einen Job in München antrat. Das „neue“ Au Pair sprach bei der Ankunft kein Deutsch – und auch heute – 2 Monate nach ihrer Ankunft ist sie des Deutschen nur sehr spärlich mächtig. Dem ist nun mal so – und auch wenn ich momentan mehr Dolmetscher als vieles Andere in unserem Haus bin, versuche ich die aktuelle Situation in Sachen Au Pair-Entlastung einfach so anzunehmen.
Aber die Schule hat doch jetzt wieder begonnen – da wird das mit der Vereinbarkeit doch besser!
Ja – auch das könnte man meinen. Denn mit der Schule haben die Kinder wieder einen geregelten Tagesablauf, gehen in den Hort und Kindergarten bis 16.00 Uhr und mir bleibt genug Zeit um konzentriert zu arbeiten.
Ja – das dachte ich auch! Aber ich vergaß wie viel zusätzliche Arbeit so ein Erstklässler macht.
Ich war insgesamt 4mal im Schreibwarenladen unseres Vertrauens, bis wir alles für nun zwei Schulkinder beisammen hatten. Ich war auch zwei Elternabenden (Schulkind, und 4. Klasse) – den vom Kindergarten werde ich hingegen verweigern (nach 6 Jahren Kindergarten erzählen die mir nichts Neues mehr) und war auch noch so schwach mich als Elternsprecherin wählen zu lassen. Anfängerfehler. Ich weiss!
Ich habe 27 unterschiedliche Dokumente und Elternbriefe unterschrieben, meine Kinder schon zwei mal nach Läusen untersucht, Termine in den Kalender getragen, Betreuungs-Bingo gespielt um all diese auch möglich zu machen.
Zudem hatte ich anscheinend den Wunsch, am Contest „Mother of the year“ teilzunehmen ohne mich selbst dafür angemeldet zu haben!?!
Meinen mittleren Sohn habe ich auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin zum Fußball angemeldet. Ich sag nur: 2mal die Woche Training und jedes Wochenende Spiel! Selbstverständlich braucht so ein Fußballspieler auch Schienbeinschoner, Stutzen und Fußballschuhe – „aber nur solche die auch cool aussehen Mama!“Meine Tochter darf nun endlich Ballett machen. Montags – um 14.30 Uhr – denn das ist eben die Zeit für die Gruppe der Neulinge. Aber kein Ding – stelle ich meinen ganzen Wochenarbeitsplan um – arbeite fehlende Stunden Abends nach und kaufe nebenbei noch das Lila Tütü, die Strumpfhose und die Schuhe dieser besonderen Marke, auf die die Ballettschule besteht.
Mein Großer hingegen ist ja schon fast ein Selbstläufer. Einmal die Woche Sport, Gitarren- und Theaterunterricht. Fast all diese Termine kann er selbst zu Fuß erreichen – und ich gerade einen Moment durchatmen.
Aber Moment – da ist ja noch die Sache mit dem Grundschulabitur. So nennen sie das „Übertrittszeugnis“ in der 4ten Klasse in Bayern. Dieses entscheidet über die schulische Laufbahn des Kindes. Gymnasium, Realschule oder Mittelschule? Wenn du es in der 4ten Klasse versaust – dann ist Schluss mit Lustig. Und selbst wenn die Mutter die Sache mit der Schulwahl entspannt sieht (also ich) – das Kind entkommt diesem Druck und Zwang nicht, denn das Thema Übertritt ist übermächtig in der 4ten Klasse. Also lernen wir nun regelmäßig – denn das Kind hat es sich so gewünscht.
ÜBERRASCHUNG, denn das war noch nicht Alles!
Wer meint, das war es jetzt mit der Vereinbarkeit, der irrt sich – denn mit Kindern hört der Spaß nach Schule, Sport und Hobbys noch lange nicht auf. So verbringe ich meine „freie“ Zeit mit:
- Geschenke für Kindergeburtstage kaufen
- Zahn- und Kieferorthopäden-Termine vereinbaren
- „Playdates“ für meine Kinder vereinbaren und Kindertaxi spielen
- Friseurtermine für die Kids machen und gemeinsam wahrnehmen
- Kuchenbacken für Sportfeste
- Fußballklamotten des gesamten Teams waschen (ein immer beliebter Wanderpokal der Soccer-Moms)
- Sprachkurse für das Au Pair buchen
- und so unwichtigen Dingen wie einen „5-köpfigen Haushalt führen“ inkl. Wäsche
Und das ist der Punkt an dem ich mich morgens gerne in meinem Bett umdrehen würde und weiterschlafen möchte. An dem ich ich bei Manuela Schwesig im BMFSFJ anrufen und sagen möchte: Das Problem ist nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das Problem sind die „Zusatzaufgaben“ vor denen einen keiner warnt.
Es sind die Momente, an denen ich eine Flasche Wein aufmachen möchte, damit meine Nerven sich beruhigen und ich mich nur noch bei meiner besten Freundin ausheulen möchte.
Die Vorstellung Morgens ins Büro zu fahren und den späten Nachmittag und Abend mit meinen drei Kindern zu verbringen – den finde ich unglaublich romantisch und schön! Ich weiß, dass ich Familie und Beruf miteinander vereinbaren kann. Das habe ich in den letzten 10 Jahren in den verschiedensten Konstellationen bewiesen. Aber das Paket besteht nun mal nicht nur aus Beruf und Kindern, sondern aus vielen kleinen Zusatz-Aufgaben, die das Gesamtpaket echt schwer machen können.
Und genau das sind die Momente, an denen das Problem der Vereinbarkeit nicht der Job ist!